Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Man soll ja, lt. Meiner Schwester, viele Dinge einfach einmal zum 1ten Mal machen. Nun gut, ich habe noch nie in meinem Leben einen Blog Artikel geschrieben. Das ist also der 1te.
Ob er gut ist, oder ob ihn jemand ließt weiß ich nicht und darum geht es auch nicht. Vielleicht enthält er auch viele meiner geliebten Rechtschreib- & Kommafehler und meine ganz individuelle Grammatik *lach*
Viele Anekdoten meiner Schwester die mich sehr erheitern beginnen mit den Worten: sag mal…kennst du das auch…und dann folgt ein heiterer Symptomkomplex einer Begebenheit oder eines Ereignisses. Ich gucke sie meistens mit großen Augen an und erwidere dann ein bestimmendes „Nein, das kenn ich nicht..“ und wir liegen am Ende meistens irgendwo und verfallen in einen Lachflash.
Meine Geschichte beginnt auch mit …kennt ihr das….? und einige werden es abnicken und bestätigen können.
Es gibt in jeden von uns einen Anteil Dr. Jekyll und einen Anteil Mr. Hyde. Ich meine damit nicht die erschreckenden Gesichtsänderungen von Menschen die Dinge tun welche wir in den Nachrichten lesen. Bei denen die ganze Nachbarschaft erschrocken der Bildzeitung und dem RTL erzählt: „ Nein, das hätten wir nie gedacht- das war ein ganz anständiger“.
In der Psychologie gibt es das Phänomen der Dissoziation, der Abspaltung von Anteilen. ( Dissoziative Amnesie oder sogar fugue) – auch das meine ich in dem Fall nicht.
Nein, ich rede von kleinen Anteilen in uns die so ganz anders sind als unsere Erziehung, unser Selbstbild unsere grundsätzliche Vertretung von Werten !
Ich zum Beispiel, bin geboren im tiefen Oberbayern und wurde von meiner Mutter und Anfangs auch dem Opa & Oma katholisch erzogen. Das hieß konkret 2x die Woche in die Kirche gehen, artig etwas in den Opferstock zu werfen, was einem die Oma vorher zugesteckt hat. Weihnachten für Misserio zu sammeln und kein Essen zu verschwenden, weil die armen Negerkinder in Afrika ja nichts zu essen haben.
Katholisch erzogen zu werden bedeutete aber nicht nur das mitgeben von christlichen Werten wie: Nächstenliebe und Vergebung, es bedeutete auch mit der Ansicht der Kirche aufzuwachsen das wir alle Sünder sind und uns in ständiger Schuld befinden. Diese ist nur damit etwas zu mildern in dem man eben brav in die Kirche geht und Opfer bringt, regelmäßig beichtet und sich ansonsten so schuldlos wie möglich benimmt. Sogar unser Jesuskind, welches über Weihnachten vorne am Altar zu sehen war, hatte einen Mahnenden Zeigefinger auf den uns der Opa und später die Oma immer hingewiesen haben.
Was hat das jetzt mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu tun? Sehr viel. Mein eigenes Leben ist stark geprägt von den Werten die mir mitgegeben wurden, von der „anständigen“ Erziehung die ich genossen habe und von den Erlebnissen aus meiner Kindheit. Ich bin Scheidungskind der späten 70er Jahre. Aufgewachsen in der Hauptsache in der Familie meiner Mama zusammen mit meiner Zwillingsschwester und die Ferienzeiten bei meinem Pa und seiner neuen Familie. Ich war ein „braves“ Kind, wir haben den ortsüblichen Blödsinn gemacht, den wir der Freiheiten der 80er und 90er Jahr zu verdanken hatten, aber weitestgehend haben wir unseren Eltern keine größeren Sorgen bereitet. Ein paar Jahre später bekamen wir noch eine kleine Schwester und das machte mich zum mittleren Kind….was das bedeutet wissen die, welche es selber sind. Die Mittleren kommen immer „gefühlt“ zu kurz, bekommen weniger, fliegen irgendwie unter dem Wahrnehmbarkeits-Radar. Und…..das war ich !
Das Gute vom Bösen der menschlichen Seele zu trennen
So nun zurück zu Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Wer die Geschichte nicht kennt, Dr. Jekyll hatte es in seinem Labor geschafft das Gute vom Bösen der menschlichen Seele zu trennen. Das Experiment hat ihm schlussendlich das Leben gekostet, aber die ganze Geschichte kann man nachlesen. Wie steht es nun mit den Anteilen in uns? Meine Erziehung hat mich zu Dr. Jekyll gemacht. Eine anständige Frau, strebsam, aufmerksam, bemüht den Menschen zu gefallen und mit hohen Wertevorstellungen. Ich weiß noch als ich in meiner Jugend mal was geklaut hatte. Meine Mama kam dahinter, ich musste es zurückbringen, mich entschuldigen und 2 Monate lang mein Taschengeld in den Opferstock werfen. Danach war ich geschützt vor weiteren Dummheiten und die Wertevorstellung, Respekt vor dem Eigentum der andern zu haben, wieder hergestellt. In der weiteren Folge meines Lebens war der Satz : „ DAS MACHT MAN NICHT „ immer und überall ein Warnzeichen für mich. Man macht so viele Dinge nicht. Ich war eine anständige Jugendliche, habe zwar geraucht und ab und zu Alkohol getrunken, bin aber nie abgerutscht, habe keine Drogen probiert und wenn gleich ich auch nicht weiß wie meine Mutter uns das eingebläut hatte: „ war ich immer brav und anständig "- darauf war ich als Jugendliche und Junge Frau auch besonders stolz. Ich habe gern etwas provoziert und auch geneckt, aber für mehr war ich nie zu haben.
So, nun war ich wieder etwas abgeschwenkt von Dr.Jekyll und Mr. Hyde. In jeden von uns Steckt soviel mehr. Kennt ihr das?….ihr seit in einer Situation die Mitgefühl fordern würde und in euch schreit eine Stimme: „ sag a mal bist du bescheuert, sei dankbar für dein Leben und hör auf zu jammern“……... oder anders, die kleinen Schadenfreuden des Lebens. Nur Kleinigkeiten, jemand fällt hin und anstatt sofort zu Hilfe zu eilen, lacht ihr erstmal. Das sind kleine Zeichen für den Widerstand zu den Wertevorstellungen welche sicherlich jeder kennt.
Die größeren widersprüchlichen Anteile
Dann gibt es aber auch die größeren widersprüchlichen Anteile in Menschen. Jemand der immer und immer wieder gegen seine eigenen Wertevorstellungen und Wünsche handelt, weil er nicht anders kann. Nicht um anderen bewusst zu schaden oder absichtlich um den anderen dumm da stehen zu lassen. Er tut es, weil er nicht anders kann. Es erscheint als würden in seiner Seele 2 Herzen schlagen. Ein Herz das eine genaue Vorstellung davon hat wo es hingehört, wo es schlagen möchte und wie sein Leben aussehen soll. Dann ist da aber eindeutig auch Mr. Hyde, der immer wieder- weil er ja abgespalten wurde von den Werten von Dr. Jekyll, das 2te Herz zum Vorschein bringt. Die Seite, welche so gar nicht zu dem passt, wo wir eigentlich hinmöchten. Die genau das Gegenteil von dem Tut was uns zum Ziel führen würde.
Umso mehr in der Geschichte Dr. Jekyll gegen Mr. Hyde angekämpft hat, umso stärker ist er geworden und umso mehr hat er sich in ihn verwandelt.
Ein anders Beispiel, oft finden wir das bei besonders taffen, starken, souveränen Personen. Menschen die in Ihrem Leben „perfekt“ wirken, die immer alles in der Hand und somit unter Kontrolle haben. In ihnen steckt oftmals noch eine ganz andere Seite. Die Seite, welche sogar am Ende etwas devot sein möchte. Die es genießt, wenn ihr die Macht aus den Händen genommen wird und die dann loslassen kann, wenn sie die Kraft und die Stärke des anderen Menschen annehmen kann. Oft sind diese starken Menschen in Ihrem Stressverhalten sogar erstmal ein „Opossum“ . Eine liebevolle Bezeichnung von mir für Menschen die in Akut-Stress, bedrohlichen Situationen, erstmal weder Flucht noch Angriff praktizieren. Sondern eben erstmal, kurz und regungslos verharren.
Also auch 2 Seiten die so gar nicht zusammenpassen.
Oder auch bei unseren Kindern. Mein Sohn zum Beispiel ist ein aufrichtiger, empathischer und sehr hilfsbereiter fast 10 jähriger. Wenn sein Mr. Hyde Anteil zum Vorschein tritt, dann ist er davon nicht mehr viel. Gerade im Moment baut er einen Folterstuhl mit Nägeln auf der Sitzfläche.....vermutlich muss eins seiner Kuscheltiere daran glauben. Wir tun uns schwer wenn wir Verhaltensweisen an unsern Kindern beobachten, welche so gar nicht zu unseren Wertevorstellungen passen. Wenn Sie Krieg spielen, gegeneinander Kämpfen oder "böse" zu einander sind, schwingt immer sofort die Sorge in uns mit. Aber das ist gar nicht nötig, es ist ein austesten, ein rantasten, ein spielerisches erkennen der beiden Anteile. NIEMAND ist NUR GUT oder NUR BÖSE.
Es gibt viele Menschen, in denen soviel mehr steckt als sie bereit sind zu zeigen. Viele, die Seiten in sich unterdrücken die so einfach gar nicht zu ihren Wertevorstellungen passen.
Jeder ist was er ist!
In meiner Praxis versuche ich rauszufinden, was in jedem einzelnen steckt, welche Anteile gesehen werden möchten. Warum wir immer und immer wieder so handeln obwohl wir wissen das es uns schadet. Es ist WUNDER-voll zu erleben, wie Menschen aus sich rausgehen können. Ich möchte nicht sagen, dass Menschen sich grundlegend ändern können, jeder ist was er ist! Aber hätte Dr. Jekyll aktiver um Hilfe gebeten und weniger versucht gegen Mr. Hyde alleine anzukämpfen, wer weiß…..vielleicht hätte er überlebt.
Warum also KÄMPFEN wir gegen die Anteile in uns, die so gar nicht unserer Wertevorstellung entsprechen. Warum versuchen wir krampfhaft an einem Außenbild von uns festzuhalten? Ich selbst, durch meine Erziehung habe mir sehr lange schwer getan wütend zu sein oder gar zu fluchen……das macht man ja nicht. Mein Umfeld war auch höchst anständig und so blieb die Wut weiter ungesehen in mir drin ohne sie dosiert abzubauen. Ich durfte durch eine schöne Begegnung in meinem Leben lernen, das man ab und zu schweres Tourette haben darf. Das es absolut in Ordnung ist sich Wut, Frustration oder einfach nur Ungerechtigkeit von der Seele zu „schreien „ in dem man einfach mal all die unreflektierten Dinge sagt die einem genau in dem Moment durch den Kopf gehen. Und siehe da, umso weniger ich gegen den Mr. Hyde Anteil in mir ankämpfe und einfach mal, an der richtigen Stelle, alles raus lasse umso lockerer werde ich in den Situationen die mich sonst wütend machen.
In jeden von uns steckt also immer etwas Dr.Jekyll und Mr. Hyde und was ich aus der Geschichte und vor allem aus den Erleben in meiner Praxis und in meinem Leben mitnehmen. Man sollte nicht versuchen das Gute von dem Bösen der menschlichen Seele zu trennen, sondern es gibt immer beide Anteile in uns.